Mittwoch, 19. Februar 2014

Standschäden sind doch schlimmer als Fahrschäden – Peugeot 204 Scheunenfund (Teil 2)



Nach der aufregenden Bergungsaktion des Peugeot stand erst mal eine gründliche Bestandsaufnahme auf dem Plan. Zu dumm, dass Dank der französischen Caritas und ihres Aktionismus der Kofferaum und das Zündschloss immer noch nicht zu öffnen waren. So war mein Ziel nach dem gründlichen Waschen erst mal, den Kofferraum zu öffnen.

Alles glänzt und blinkt – und dabei hab' ich ihn nur gewaschen!

Ich wollte so wenig wie möglich zerstören oder ändern, da mir der Zustand des kleinen Wagens imponierte. Also baute ich das offene Schloss der Fahrertür aus und suchte bzw. fand darauf die Seriennummer und den Namen des Herstellers. Das ganze schickte ich nach Holland zu Schlüsselprof Luke, und nach einer Woche kam ein Päckchen mit zwei Schlüsseln drin, nachgefertigt nach meinen Angaben.

Und siehe da! Sie passten! Ich musste kein Schloss zerstören oder ausbohren – meine Geduld hatte sich bezahlt gemacht! Nun, im Kofferaum gab es Gott sei Dank (oder leider?) keine Überraschungen. Das normalerweise unter dem Wagen platzierte Ersatzrad lag darin, außerdem ein paar Plastiktüten und etwas Werkzeug. Leider war die originale Kofferraummatte genau da kaputt, wo das Ersatzrad gelegen hatte.


Der an sich saubere und rostfreie Motorraum

Ich versuchte schon aus Vernuft und Erfahrungswerten nicht, den Wagen einfach so zu starten. Ich verkniff mir sogar, den Motor mit dem Anlasser zu drehen. Was sich erneut als weise Entscheidung erwies.

Generell lässt sich der Motor beim 204 nur relativ schwer von Hand durchdrehen. Als ich es nach Abnahme des linken Vorderrades mit der Ratsche versuchte, merkte ich, dass die Maschine absolut fest war. Kein Millimeter nach rechts oder links war möglich. Eine erste Enttäuschung, denn meist ist das kein gutes Zeichen.

Nur 9770 Kilometer!
Es dauerte auch eine gewisse Zeit, die hinteren Trommeln abnehmen und die Räder wieder drehbar machen zu können. Zum Glück konnte ich die Trommeln mit viel Caramba und noch mehr Geduld irgendwann dazu erweichen, sich zu lösen.

Was war das Problem? Ganz einfach: Zwischen Bremsbacken und Bremsbelägen hatte es massiv gerostet, sodass sich im Zwischenraum ca. 1-2 mm Blattrost gebildet hatte, der Bremsbeläge und Trommeln untrennbar miteinander verband. Schnell war klar, dass die gesamte Bremsanlage zu überholen wäre. Schläuche aufgequollen, Bremsbacken massiv verrostet, Radbremszylinder absolut festgefressen, Beläge durch das Abziehen beschädigt, Bremssättel vorne festgerostet, Bremsleitungen porig dünngerostet, Hauptbremszylinder fest, Bremskraftverstärker-Mebran gerissen... Ufffff!
 
Die Radbremszylinder waren so unbrauchbar wie alle übrigen Teile der Bremsanlage

Ein weiteres Opfer der feuchten Garage und des jahrzehntelangen Stillstands war der Kraftstofftank. Als ich ihn ausbaute und leerte, kam nur ein übel riechendes, wässriges Zeug heraus, gefolgt von ca. 10 cm dickem, bräunlichem Satz. Als ich mit einer Kamera in den Tank schaute, sah es aus wie die Innenaufnahmen aus dem Wrack der Titanic...

Also: Chemisch entfetten, entrosten, und versiegeln mit Kreem Rot. Die Kraftstoffleitungen hatten keinen Durchgang und waren verrostet, sie mussten gespült und mechanisch entrostet werden. Dazu benutzte ich dünne Stahlseile und eine Bohrmaschine, um diese zu drehen. Das klappte erstaunlich gut, dauerte aber Tage, wegen der Einwirkzeit des unterstützend eingesetzten Kriechöls.

Die neuwertige Innenaustattung
Ein weiteres Problem stellte die Innenaustattung dar. Sie war einerseits neuwertig, andererseits aber schimmelüberzogen und stank. Das ganze Auto roch extrem muffig – nach Feuchtigkeit, Schimmel, Kunstleder, Alter und Gammel. So sehr, dass es niemand länger als 1-2 Minuten im Inneren aushalten wollte. Ich baute also als ersten Schritt das gesamte Interieur aus.
 
Es wird leer im Innern

Erstaunlicherweise stank das Auto auch danach noch erbärmlich. Es schien, als habe sich der Gestank in den Dämmatten und übrigen Gummiteilen so festgesetzt, dass Kreativität gefragt war. Ich wollte es vermeiden, die verklebten Dämmatten und das Armaturenbrett auszubauen, da alles noch werksseitig verbaut und unangetastet war. Nach einem alten Hausrezept organisierte ich ein Glas puren Ammoniak und stellte das Gefäß mehrere Wochen offen in den verschlossenen Innenraum. Es funktionierte: Jetzt roch es nur noch nach altem Kunstleder.

Der Motor hängt am Haken
Jetzt hieß es so langsam, sich um den festen Motor zu kümmern. Ich entschied mich schweren Herzens, den gesamten Fahrschemel auszubauen – aus zwei Gründen: Zum einen geht es im 204-Motorraum beengt zu, und zum anderen war der Vorderwagen etwas angerostet.

Der ausgebaute Fahrschemel

Diese Entscheidung gab mir nun die Möglichkeit, bequem am Motor arbeiten zu können und ihn gründlich zu reinigen. Als ich den Zylinderkopfdeckel abnahm, sah ich schon, dass das auf einige Arbeit hinauslaufen würde. Zwei Ventile waren in ihren Führungen festgerostet. Also runter mit dem Zylinderkopf und reingeschaut: Der Anblick, der sich mir bot, war ernüchternd:


Auch hier wieder: Nur 9770 Kilometer...Aber was nützt es?

2 Festgerostete Ventile im Kopf

Nun, damit hatte ich nicht gerechnet. Die 33 Jahre Stillstand hatten dem kleinen Wagen extrem zugesetzt. Ein Startversuch hätte mich nicht nur Kolbenringe und Kolben gekostet, sondern auch tiefe Riefen in die Zylinderlaufbahn gefurcht – von den festgerosteten Ventilen, die mit den Kolben kollidiert wären, gar nicht zu reden. Glück im Unglück also. Aber was nun? Darüber musste ich schlafen und mir einen Schlachtplan ausdenken. Nur nichts überstürzen.

[Fortsetzung folgt!]

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